Revierförsterin Eva-Maria Kirchler und der stellvertretende Forstamtsleiter Thomas Götz berichten über die dramatischen Waldschäden im Friedberger Stadtwald und die Möglichkeiten und Schwierigkeiten den Wald zu retten
Mehr Waldschutz – auch durch die Errichtung durch Windkraftanlagen am Winterstein – fordern die TeilnehmerInnen des Waldbeganges. Dabei auch Frank Diefenbach, Sprecher für Wald der Landtagsfraktion der Grünen und Kathrin Anders, Wetterauer Landtagsabgeordnete der Grünen aus Bad Vilbel
Das Waldsterben auch am Winterstein ist nur durch Klimaschutz aufzuhalten
Bericht von Bruno Rieb im „Neuen Landboten“
Schon von Friedberg und Rosbach aus kann es jeder sehen: Dem Wald um den Winterstein geht es schlecht, große Flächen sind abgestorben und wurden gerodet. Ein genaues Bild von der Lage und von möglichen Gegenmaßnahmen wollte sich die Natur-AG aus Friedberg und Rosbach machen, in der Mitglieder der Grünen mit anderen Aktiven zusammenarbeiten.
Sie brachte die Revierförsterin, den stellvertretenden Forstamtsleiter, Vertreter von BUND, NABU und der Gruppe „Querstellen“, Grüne Politiker aus Friedberg, Rosbach, Wehrheim , Ober-Mörlen und aus dem Landtag auf einen gemeinsamen Waldbegang im Friedberger Stadtwald zusammen.
Dramatische Lage im Friedberger Stadtwald
Das Gebiet um den Kuhkopf in der Nähe des Wintersteins zeigte das Ausmaß der Schäden durch die Dürren der letzten drei Jahre besonders deutlich. Große Flächen sind komplett ohne Bäume. An vielen Stellen war zwar Naturverjüngung zu sehen, dominiert von der Fichte, der HessenForst aber kaum Chancen gibt. Revierförsterin Eva-Maria Kirchler machte deutlich, dass Fichten durch ihren hohen Wasserbedarf und das sturmanfällig flache Wurzelwerk keine Zukunftsbaumart des Forstes im Taunus mehr sind. Aber auch die Buche erleidet erhebliche Verluste und ist extrem gefährdet. Der stellvertretender Forstamtsleiter Thomas Götz zeigte, dass sich die Wärme- und Dürrejahre häufen und die gesamte Mitte Deutschlands ein riesiges Wasserdefizit im Boden bis in große Tiefen hat.
Was ist zu tun?
Die Antwort besteht aus zwei Teilen: Erstens den Klimawandel bekämpfen, wozu auch Windkraft auf dem Winterstein ihren Teil beitragen könnte. Götz zeigte sich für HessenForst aufgeschlossen gegenüber einer Größenordnung von 10 Windkraftanlagen, zumal das Gebiet mit großen, festen Forststraßen schon gut erschlossen sei. Es müsse nur wenig zusätzlicher Wegebau betrieben werden. Und es gebe zurzeit große Freiflächen, so dass kaum Bäume für den Bau der Anlagen geopfert werden müssten. Karl Moch von der Natur-AG ergänzte, dass schon 10 -12 Windkraftanlagen in einer Größe, die heute als wirtschaftlich gelten, die ca. 21 000 Haushalte der Anliegergemeinden Friedberg, Rosbach, Ober-Mörlen und Wehrheim komplett mit Strom versorgen könnten.
Der zweite Teil der Antwort ist die Wiederbewaldung. Hier müsse aber auch durch Jagd der Verbiss verhindert werden, führte Kirchler aus, denn Rehe bevorzugen die selteneren Arten, die aber für eine gesunde Mischung der Baumarten wichtig seien. Auf Fragen nach anderen Schutzmaßnahmen gegen den Rehverbiss, wie z.B. Wildschutzzäune, erklärte Frau Kirchler, dass diese einen erheblichen finanziellen Aufwand bedeuten würden. Trockenheitsangepasstere Arten wie Birke und Eberesche würden vom Forst bei der Pflege der Verjüngung freigestellt, die Fichte zurückgedrängt. Der Forst setze auch stärker auf Traubeneiche, Douglasie und Tanne, auf die Mehlbeeren-Arten, die Flatterulme. Aus Fehlern früherer Jahrzehnte habe man gelernt, es werde sehr darauf geachtet, dass Pflanz- und Saatgut an das Klima und den Boden vor Ort angepasst seien. Wie gut das funktioniert könne aber erst die Zukunft zeigen.
Komplexe Zusammenhänge erfordern kluge Entscheidungen und mehr Aktivitäten
Die 30 Teilnehmer des Waldbegangs (das ist der Fachbegriff des Forstes für eine solche Exkursion) nahmen den Eindruck mit, dass diese Veranstaltung eine gute Zusammenarbeit von Forst, Politik und Naturschutz befördere. Die komplexen ökologischen Zusammenhänge müssen verstanden sein, um politisch kluge Entscheidungen zu treffen. Dies machte auch Frank Diefenbach, der waldpolitische Sprecher der hessischen GRÜNEN im Landtag, deutlich, als er den 12-Punkte-Plan der Hessischen Landesregierung zum Schutz der Wälder im Klimawandel erläuterte und alle Lokalpolitiker aufforderte, jetzt verstärkt beim Waldschutz aktiv zu werden und Landesmittel zu beantragen.
Es wurde deutlich, dass der örtliche Wald in Gemeindebesitz in den nächsten Jahren keinen wirtschaftlichen Gewinn mehr abwerfen kann. Allerdings sind die vielen Funktionen des Waldes (Erholung, Klimaausgleich, Wasserschutz, Lebensraum für Pflanzen und Tiere usw.) grundlegend für unser Leben, so dass Wald ein unverzichtbarer Gewinn und ein wertvoller Schatz bleibt, für den unbedingt zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt werden müssen.
Bebauungsplan Winterstein der Anliegergemeinden komplett verfehlt
Vor allem aber wurde klar, dass der Bebauungsplan für das Wintersteingebiet, der aktuell von den Gemeinden Friedberg, Rosbach, Wehrheim und Ober-Mörlen aufgestellt wird und nur wenige und zudem kleine Windkraftanlagen zulassen will, dem Waldschutz nicht dient. Harald Bernd und Doris Jensch von der Natur-AG brachten es auf den Punkt: „Klimaschutz ist Waldschutz, wir brauchen Waldschutzstrom aus Windkraft! Wer über den Anblick von Windrädern am Winterstein jammert, muss sich klarmachen, dass der Anblick ohne Klimaschutzmaßnahmen in wenigen Jahrzehnten der von kahlen Hängen sein könnte.“
Florian Übelacker, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Friedberg Stadtparlament führte weiter aus:
„Es wäre mehr als unklug, wenn sich die Anliegergemeinden einer aktiven Beteiligung an der Errichtung von Windrädern in ihren Kommunalwäldern wiedersetzen würden, da diese dann auf den Flächen des Landes und des Bundes errichtet werden und die Kommunen auf erhebliche Einnahmen verzichten würden.“
Die Mitglieder der Natur-AG luden ein, sich zu Waldschutz und anderen Naturthemen an der politischen Diskussion zu beteiligen. Die Natur-AG der GRÜNEN in Friedberg und Rosbach trifft sich einmal monatlich und steht auch interessierten Nicht-Parteimitgliedern offen.
Weitere Fakten:
Seit 2012 sind im Friedberger Stadtwald über 50% des Fichtenbestandes verlorengegangen, teils durch Sturmschäden, aber größtenteils durch Dürre. Auch die Buche, eigentlich die Hauptbaumart natürlicher Wälder im Taunus, ist schwer geschädigt. Der Friedberger Stadtwald umfasst 215 ha, davon waren 2012 etwa 36% mit Fichte bestanden.
Der Holzpreis für Fichte ist so stark gefallen, dass er meist unter den Kosten für die Aufarbeitung liegt. Es gibt zwar eine Förderung des Landes, um Borkenkäfer-Holz aufzuarbeiten, aber diese kann den Preisverfall nicht wettmachen. Trotzdem kann das Holz zum Teil wegen der Verkehrssicherungspflicht nicht einfach stehenbleiben.
Dabei hängen am Forst und an der Holzverarbeitung in Deutschland über 1 Million Arbeitsplätze, es ist also ein bedeutender Wirtschaftszweig.
Sowohl die durch Dürre abgestorbenen Bäume als auch Starkregenereignisse mit Erosion und Schlammlawinenabgängen stellen eine Bedrohung für die Sicherheit im und um den Wald dar. HessenForst versucht Wasser im Wald zu halten, indem Mulden an den Stellen angelegt werden, an denen das Wasser sich sammelt und die Hänge herabfließt.
Der vorgelegte, aber noch nicht beschlossene Bebauungsplan „Natur- und Erholungsgebiet Winterstein“, den die Gemeinden Friedberg, Rosbach, Ober-Mörlen und Wehrheim gemeinsam aufgestellt haben, begrenzt die Zahl der Windkraftanlagen in Südhessens wichtigster Windkraftvorrangfläche auf drei und schränkt gleichzeitig deren Nabenhöhe und Standdauer ein.
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