In der Stadtverordnetenversammlung am 11.05.2023 wurde über die Vorlage DS-Nr. 21-26/0566 “Ziele im Rahmen des Realisierungswettbewerbs für die Umgestaltung der Kaiserstraße” der Verwaltung abgestimmt. Unter Punkt 2) wird der zu erhaltende Baumbestand wie folgt definiert: “Wenn möglich ist vorhandender Baumbestand, mindestens 5 der 15 Zukunftsbäume, in die Planung zu integrieren”. Nach Präsentation des Baumgutachtens im Stadtentwicklungsausschuss brachte Gudrun Friedrich in der Stadtverordnetenversammlung einen Änderungsantrag ein, der die Zahl der zu erhaltenden Altbäume mit möglichst 37 Bäumen beziffert, das sind die Bäume, die laut Gutachten noch eine Lebensdauer von 20-40 Jahre haben.
Hier ihre Rede zur Einbringung des Antrags:
5 zu erhaltende, so genannte Zukunftsbäume, so lautet die Parole des Bürgermeisters und der Verwaltung zu den Zielen des Umgestaltungswettbewerbs auf der Kaiserstraße. Welch ein Hohn!
Denn die Klimakrise ist längst auch bei uns in Deutschland angekommen! Im Zentrum unserer Stadt sollen von den derzeit 61 Bäumen, von denen nach aktuellem Baumgutachten 40 als erhaltenswert eingestuft worden sind, lediglich 5-15 von diesen auch tatsächlich stehen bleiben dürfen.
Und das, obwohl alle von uns die Tatsachen kennen:
Alte Bäume tragen in besonderer Weise dazu bei, die Lebens- und Aufenthaltsqualität in Städten wesentlich zu verbessern:
- Sie beeinflussen das kleinräumliche Stadtklima, indem sie die Außentemperatur im Sommer um bis zu 6 Grad Celsius abkühlen.
- Sie spenden Schatten.
- Sie reduzieren Schadstoffe, z. B. Feinstaub, durch die Filterfunktion ihrer Blätter und natürlich Lärm.
- Sie speichern CO² und produzieren Sauerstoff.
- Ihr Anblick bereitet Freude und verbessert die Stimmung vieler Menschen. Gehen Sie momentan mit offenen Augen durch die Stadt Friedberg und Sie werden es genießen!
Umso bedeutsamer sind diese Fakten, wenn man sich vor Augen führt, dass all diese Leistungen von Bäumen mit deren Alter überproportional wachsen. So müssten z. B. für eine 100-jährige Eiche 130 10-jährige Jungbäume gepflanzt werden, um in etwa die Leistungen des alten Baumes übernehmen zu können.
Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass wir mit großer Mehrheit am 8. Dezember 2022 der Erstellung eines Hitzeschutzaktionsplans zugestimmt haben. In diesem Zusammenhang haben wir uns damit beschäftigt, wie wir unsere Stadt auf zukünftige Hitzesommer vorbereiten müssen. Und die entscheidenden Schlagworte lauteten: Begrünung, Verschattung und Frischluftschneisen erhalten und schaffen. Viele andere Kommunen machen es uns vor.
Und wir versuchen nicht einmal möglichst viele unserer alten Bäume zu retten?
Weil es unter Umständen zu schwierig ist wegen der anstehenden Kanalsanierung, weil eine Verlegung des Kanals in die Straßenmitte wegen zu erwartender archäologischer Grabungen und einer zeitweisen kompletten Straßensperrung nicht möglich ist?
Selbst das aktuelle Baumgutachten schlägt vor, eine Verlegung des Kanals zu prüfen. Die von Seiten der Verwaltung genannten Gegenargumente beziffern die Kosten für die Hauseigentümer als zu hoch, ohne belastbare Vergleichszahlen zu nennen. Die Verwaltung fürchtet die Kosten und die Dauer der archäologischen Grabungen, wobei hier schon ein wenig verwundert, dass niemand auf die Idee kommt, dass man diese auch unter Forschungs- und Marketing-Aspekten für die Stadt nutzen könnte. Andere Städte machen uns das vor und gestalten Events rund um ihre besondere Historie und wir denken nicht einmal über so etwas nach?
Das ist umso unverständlicher, wenn wir uns etwas näher mit dem neuesten Baumgutachten beschäftigen, das auch detaillierte Aussagen zu den zu erwartenden Kosten für den Erhalt der alten Bäume trifft. Und da wird deutlich – und für viele von uns sicher überraschend-, dass Maßnahmen zum Erhalt mit überfahrbaren Wurzelbrücken in etwa dieselben Kosten wie Neupflanzungen verursachen.
Es kann also keine Frage des Geldes sein, zumal die Fachleute in der Ausschusssitzung auf Nachfragen auch folgende Möglichkeit bestätigt haben: Man kann Pflanzgruben um die alten Bäume errichten, die denen neuer Bäume entsprechen. Das bietet einen doppelten Vorteil: Man erhält zum einen die wertvollen alten Bäume. Zugleich ist man vorbereitet, falls dies in wenigen Ausnahmen nicht gelingen sollte, ohne größeren Aufwand dann dort Nachpflanzungen vornehmen zu können.
Es bleiben also letztlich die Probleme der Kanalsanierung zu prüfen. Dass hier das Tiefbauamt am liebsten in offener Bauweise vorgehen würde, ist sicherlich verständlich, aber sind denn im Vorfeld alle Möglichkeiten berücksichtigt, auch anders zu sanieren, im sogenannten Inliner-Verfahren? Gibt es dazu ein Gutachten, inwieweit das möglich ist? Wir kennen keines!
Insgesamt gibt es daher für uns als Grüne nach Betrachtung aller relevanten Aspekte nur eine Forderung: Wir müssen so viele erhaltenswerte Bäume wie nur möglich bewahren. Aus unserer Sicht sind das alle als erhaltenswert eingestuften Bäume mit einer Lebenserwartung zwischen 20 und 40 Jahren, und das sind 37. Denn wir wissen, Klimaanpassung wird vor Ort gemacht. Wollen wir dies für die Menschen in Friedberg, vor allem auch für unsere Kinder und Enkel, erreichen, müssen wir endlich aktiv etwas dafür tun. Und alte Bäume werden hierbei eine wichtige Rolle spielen.
Dazu braucht es Tatkraft und Mut, den Mut, auch schwierigere Lösungen umzusetzen. Diesen Mut wünsche ich uns, ja ich fordere ihn geradezu, denn es ist unsere Verantwortung und Chance, hier vor Ort der Klimakrise zu begegnen.
Der Änderungsantrag wurde mehrheitlich abgelehnt, dafür gestimmt haben außer der Grünen Fraktion nur die Fraktion der Linken.
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